Eine Geschichte von Wasser und Bäumen

Text von Andreas Klotz, Fotos von Michael A. Winter und Andreas Klotz
Wir besuchen die Bitukura-Gorillafamilie im „Bwindi Impenetrable Forest National Park“ – und es fühlt sich tatsächlich fast wie ein Familienbesuch an.

Zum Schutz der letzten Berggorillas in Uganda

Michael Winter beim Bergaufstieg (Foto: Andreas Klotz)
Im „Bwindi Impenetrable Forest National Park“ im Südwesten Ugandas leben knapp die Hälfte aller noch auf unserer Erde existierenden Berggorillas. Der kleine Lebensraum dieser uns so nah verwandten und sympathischen Menschenaffen ist vollständig umschlossen von Kulturland. Felder und Teeplantagen, Dörfer und Straßen – aber vor allem eine stark wachsende Bevölkerung – üben enormen Druck auf den Bergregenwald und alle darin lebenden Tiere und Pflanzen aus. Der „Gorilla“-Tourismus schafft zwar weltweite Aufmerksamkeit für die bedrohten Tiere, und er ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor fürs Land, doch wenn die Menschen in der direkten Nachbarschaft der Berggorillas keinen eigenen Nutzen spüren – oder gar Nachteile erleben – können die Berggorillas langfristig nicht überleben. Wir stellen Ihnen hier ein Projekt vor, das genau dort ansetzt, lokale Dorfgemeinschaften unterstützt und nachhaltig hilft.

Schon seit über einer Stunde wandern wir auf stetig schmaler werdenden Pfaden, teils mitten durch dichtes Gestrüpp, im feuchten und dichten Regenwald. Die Sonne steigt immer höher. In der ersten Pause entledigen wir uns der Jacken, in der schon kurz danach folgenden zweiten Pause brauchen manche mehrere Minuten, um wieder zu Atem zu kommen. Wir befinden uns auf über 2.200 Metern Höhe, und unser Weg führt entweder steil bergauf oder es geht rutschig bergab. In der Nacht hat es geregnet. Bei der dritten Pause fragen sich die Ersten, warum sie sich das eigentlich antun. Die Schinderei hat aber einen guten Grund, den wir urplötzlich vor uns sehen: Berggorillas!

Emotionale Begegnung zum Ersten

Berggorilla-Baby (Foto: Michael Winter)
Wie die allermeisten Touristen sind wir vor allem deswegen nach Uganda gereist – und werden nicht enttäuscht. Wir besuchen die Bitukura-Gorillafamilie im „Bwindi Impenetrable Forest National Park“ – und es fühlt sich tatsächlich fast wie ein Familienbesuch an. Mit dem mächtigen Siberrücken Mugisha leben hier noch 12 weitere Berggorillas. Rukumu ist ein alter Gorillamann, der als „Rentner“ weiterhin mit der Gruppe wandert. Betina und Thursday heißen zwei der vier erwachsenen Weibchen. Kakuto ist ein ungestümer männlicher Teenager, und es gibt seit wenigen Monaten noch ein ganz junges Baby. Von unseren einheimischen Begleitern erfahren wir viel über diese sanften Riesen, die so nah mit uns verwandt sind … während wir sie bei ihrem täglichen Tun beobachten.

Nur eine Stunde darf man bei ihnen bleiben. Eine Zeitspanne, die wie im Flug vergeht und trotzdem unzählige wunderschöne Momente bereithält: Eine Mutter, die ihr Junges liebevoll säugt … Kakuto, der die ganze Zeit an Zweigen kaut und ausdauernd Blätter abzupft … zwei Jungtiere, die lautstark miteinander balgen … aber das emotionalste sind die klaren Blicke, mit denen sie auch uns intensiv beobachten.

Gorillaforschung und vieles mehr

Dr. Martha Robbins (Foto: Andreas Klotz)
Wir sind zum zweiten Mal gemeinsam in Uganda unterwegs und werden von Dr. Martha Robbins begleitet. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und Leiterin des Bwindi-Gorilla-Projekts. Die engagierte amerikanische Wissenschaftlerin und ihr Team widmen sich seit 25 Jahren der Erforschung und dem Schutz von Berggorillas.

Seit 1998 sieht sie auch die Unterstützung und Aufklärung der lokalen Bevölkerung rund um den Nationalpark als Teil ihrer Mission und engagiert sich in vielen lokalen Gemeinschaftsprojekten. Dabei wird sie seit 2009 von Mondberge unterstützt – und seit 2021 auch von der proWIN pro nature Stiftung.

Hilfe zur Selbsthilfe

Nicht nur wegen der Gorillas sind wir wiedergekommen, sondern auch, um ein neues Charity-Projekt einzuweihen. Für die meisten Menschen bei uns unvorstellbar, ist es hier ganz normal, dass Kinder (meistens Mädchen) jeden Tag zweimal – morgens schon vor der Schule und nochmal am Nachmittag – bis zu einer Stunde laufen müssen, zu Fuß mit einem 20-Liter-Kanister, um Wasser für die Familie ins Haus zu holen. Es gibt in den allermeisten Häusern weder fließendes Wasser noch Strom. Matthias, ein Mitarbeiter in Marthas Team, kam eines Tages mit der Idee zu ihr, eine Wasserleitung zu bauen, die keinen Strom benötigt, sondern ausschließlich durch Schwerkraft und natürliches Gefälle funktioniert. Er stammt von hier und wohnt mit seiner Frau und kleinem Sohn selbst in einem dieser Dörfer, direkt am Rande des Nationalparks. Die ganze Gemeinschaft, vom Teenager bis zum Dorfältesten, wollte mithelfen. Arbeitskräfte, Know-how und Motivation waren vorhanden, was fehlte war schlichtweg „nur“ genügend Geld, um das benötigte Material für den Bau zu beschaffen.
4.000 Menschen haben nun rund um die Uhr frisches Wasser zur Verfügung (Foto: Andreas Klotz)
Besser kann „Hilfe zur Selbsthilfe“ nicht funktionieren, dachten wir uns, als wir davon hörten und sagten 2021 unsere Unterstützung zu. Als dann endlich die Pandemie vorbei und die Planungsphase abgeschlossen war, konnte es Ende 2022 losgehen. Die Baumaßnahmen dauerten nur fünf Monate, weil wirklich Hunderte Freiwillige ehrenamtlich mit anpackten. Es entstand eine knapp vier Kilometer lange, unter der Erde verlegte Wasserleitung, die aus zwei unterirdischen Quellen das Wasser abzapft, durch mehrere Zwischentanks leitet, um immer wieder Druck aufzubauen – und am Ende in sechs Zapfstellen, nahe der Häuser von rund 4.000 Menschen, rund um die Uhr frisches Wasser zur Verfügung stellt. Es muss einfach nur ein Wasserhahn aufgedreht werden – ein Erlebnis für alle dort und eine für uns kaum vorstellbare Erleichterung des Lebens für so viele. Und vor allem: Diese Wasserleitung hilft auch bei der Bildung der Kinder, denn jetzt können diese ausgeschlafener zur Schule kommen und viel besser lernen.

Emotionale Begegnung zum Zweiten

Moderatoren führten durch die Zeremonie (Foto: Andreas Klotz)
Am Nachmittag nach dem so emotionalen Gorilla Tracking erwartete uns eine noch viel emotionalere Feier, wie wir sie so noch niemals erlebt haben. Auf einem großen Platz nahe der Schule, direkt neben einer der neuen Zapfstellen, hatten sich mindestens 500 Menschen versammelt. Per WhatsApp bekamen wir vorab eine Agenda zugesandt: 29 (!) Tagesordnungspunkte, darunter fünf Tanzgruppen, ein Theaterstück und Reden von so ziemlich jedem, der mit dem Projekt zu tun hatte – von Schülern, Lehrern, dem Dorfältesten und der Vorsitzenden der Frauengruppe bis hin zu diversen Politikern, Würdenträgern und schließlich auch Matthias, Martha und Michael.
Emotionale Rede während der feierlichen Eröffnung des Wasser-Gravitations-Systems (Foto: Andreas Klotz)
Wir wurden enorm herzlich mit Gesang und Tanz empfangen, zu unseren Plätzen unter schatten­spendendem Plastikplanendach geleitet, wo schon ca. 50 andere geladene Gäste saßen. Für genügend Getränke war gesorgt, möglicherweise wussten manche ja (wir nicht), dass es am Ende vier Stunden dauern sollte. Ein Moderatoren-Team führte durch die Zeremonie, Reden auf Luganda wurden ins Englische übersetzt und umgekehrt, sodass auch wirklich alle alles verstehen konnten. In den Pausen sorgte ein DJ für Musik und Unterhaltung.

Unbestrittene Höhepunkte waren die feierliche Eröffnung des Wasser-Gravitations-Systems mit dem Durchschneiden eines bunten Bandes inklusive Aufdrehen des Wasserhahns an der Zapfstelle und die gegenseitige Übergabe von Geschenken, wie zum Beispiel Honig, Bananenschnaps, Eiern und lebenden Hühnern (die wir leider nicht mit nach Hause nehmen konnten).

Baum-Netzwerk

Holzgebäude (Foto: Andreas Klotz)
Bereits seit 2009 werden in den von Mondberge unterstützten Schulen Baumsetzlinge schnell wachsender Nadelhölzer aus den Samen gezogen. Kleine Schulprojekte, die aber trotzdem schon für jährlich rund 8.000 Baumanpflanzungen auf den Schulgeländen, auf öffentlichen und privaten Grundstücken in der Community sorgten. Dieses Jahr wurden bereits die ersten Bäume gefällt, aus denen man ein Schulgebäude errichtete und Schulmöbel anfertigte.
Schnell wachsende Nadelhölzer (Foto: Andreas Klotz)
Am nächsten Tag konnten wir nicht nur verschiedene Schulen besuchen und selbst Bäume pflanzen, sondern auch eine neue Baumschule besichtigen, in der jährlich mehrere Hunderttausend Setzlinge gezogen werden, die dann im Rahmen des Mondberge-Baum-Netzwerks kostenlos an die Menschen verteilt werden. Und nicht nur das: Zusätzlich erhalten sie auch noch verschiedene indigene Baumarten, die für medizinische Zwecke genutzt werden können und die Biodiversität in der Region verbessern.

Zitronen, Äpfel und mehr

Last but not least kaufen wir auch Obstbäume dazu. Zitronen sind der absolute Renner, aber auch Äpfel und Avocado sollen zukünftig dabei helfen, die Ernährung der Familien zu verbessern und durch den Verkauf der Früchte Einnahmequellen zu erschließen.

Alle diese Maßnahmen helfen den Menschen vor Ort, sich selbst zu helfen. Sie tragen dazu bei, dass im Nationalpark nicht mehr nach Nahrung, Medizin oder Holz gesucht werden muss. Das schützt den Lebensraum der Berggorillas und aller anderen dort lebenden Tiere und Pflanzen.

Das Wasser-Gravitations-System...

Bauphase (Foto: Andreas Klotz)
... ist eine Gemeinschafts-Initiative des Bwindi-Gorilla-Projekts des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, Mondberge, der Ruhija-Dorfgemeinschaft und der proWIN pro nature Stiftung. Etwa 450 Haushalte haben jetzt einen einfacheren und kontinuierlichen Zugang zu frischem Wasser.

Die Wassergewinnung erfolgt aus zwei nah beieinander liegenden Quellen. Mehrere Wassertanks wurden gebaut, um zusätzlichen Druck in den Rohren zu erzeugen, damit das Wasser über eine Strecke von ca. 4 km transportiert werden kann. Das Land, auf dem sich die Wasserquellen befinden, wurde gekauft und ins Eigentum der Gemeinde Ruhija übertragen.

Die Rohre wurden etwa einen Meter unter der Erde verlegt und verlaufen durch das Land von 40 Grundbesitzern. Alle waren bereit, dies kostenlos zur Verfügung zu stellen und eine entsprechende Vereinbarung zu unterzeichnen, sicher auch, weil sie und ihre Familien selbst davon profitieren. Teilweise wurden Entschädigungen bezahlt, zum Beispiel dann, wenn Bäume gefällt werden mussten.

Das ganze System umfasst sechs Wasserhähne in drei Dörfern (Mburameizi, Buzaniro und Bitanwa). Alle Gemeindemitglieder haben freien und kostenlosen Zugang zu allen Wasserhähnen. Es gibt keine Begrenzung, wie viel Wasser entnommen werden darf, aber jeder Haushalt leistet einen jährlichen Beitrag zum Unterhalt i.H.v. 1.500 ugandischen Schilling (etwa 38 Cent).
Bauphase (Foto: Andreas Klotz)
Alle benötigten Materialien wie Ziegel, Sand, Steine, Zement, Rohre, Zäune etc. wurden vor Ort eingekauft. Die Bauzeit betrug fünf Monate. Die Gemeinde ist für die Verwaltung und Wartung verantwortlich. Es wurden zwei Arten von Komitees gebildet, die von den Gemeindemitgliedern ausgewählt wurden: eines für jedes Dorf und ein Gesamtkomitee für alle drei Dörfer zusammen. In jedem Ausschuss sind gleich viele Männer und Frauen vertreten.

Die Wassertanks werden regelmäßig dreimal im Jahr gereinigt. Bei den ersten Reinigungen schult ein Techniker Gemeinde­mitglieder. Sobald die Schulungen abgeschlossen sind, wird die Reinigung von diesen Gemeindemitgliedern durchgeführt, um die Kosten zu senken und die Eigenverantwortung zu stärken. Der Techniker soll nur noch kommen, wenn ein größeres Problem behoben werden muss. Für die Begleichung dieser Kosten ist der Gesamtausschuss verantwortlich.

Alle von der Gemeinde gekauften Grundstücke rund um die Quelle und dort, wo sich das Reservebecken befindet, sind eingezäunt, um zu verhindern, dass Weidetiere oder Menschen das Eigentum beschädigen.
Reisetipp
Uganda ist durch sein gemäßigtes Klima ganzjährig für eine Reise geeignet, die beste Zeit für Safaris ist in den trockeneren und kühleren Monaten von Juli bis September. Von Dezember bis Februar ist Hochsaison. Der Klimawandel macht aber auch vor Uganda nicht halt, regnen kann es auch außerhalb der früheren Regenzeiten (März bis Mai und September bis November) – und umgekehrt.

Wissenswertes über Uganda

  • Lage
    Äquatorialer Binnenstaat in Ostafrika, grenzt im Norden an den Südsudan, im Osten an Kenia, im Süden an Tansania und Ruanda und im Westen an die Demokratische Republik Kongo.
  • Größe
    Circa 241.000 Quadratkilometer, das sind etwa zwei Drittel der Fläche Deutschlands. 17 % davon sind Wasserflächen.
  • Einwohner
    Circa 42 Millionen, davon etwa 50 % unter 15 Jahre jung.
  • Religionen
    Rund 85 % Christen und 12 % Muslime, der kleine Rest verteilt sich auf traditionelle afrikanische Religionen, Konfessionslose und andere Religionen.
  • Hauptstadt
    Kampala (ca. 1,5 Millionen Einwohner)
  • Währung
    Uganda-Schilling (1 Euro = ca. 3.850 UGX)
  • Klima
    Tropisch-warm, durch die Höhenlage jedoch deutlich kühler und moderater, weder übermäßig heiß noch kalt.
  • Geografie
    Savannen im Norden, Kulturland und Regenwälder im Südwesten, geprägt von vier der größten Seen Ostafrikas, darunter der Viktoriasee mit der Nilquelle in Jinja. Alpines Hochgebirge im Westen bis
    5.109 Meter (Margherita-Spitze des Mount Stanley im Ruwenzori). Tiefster Punkt ist der Albertsee mit immer noch 621 Metern über dem Meeresspiegel.
  • Fauna
    Nur in Uganda leben die „Big Seven“; zusätzlich zu den afrikanischen Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Leopard und Löwe) auch Schimpansen und Berggorillas. Weiterhin ist das Land sehr beliebt bei Vogelbeobachtern, da es dort über 1.000 verschiedene Vogelarten geben soll.
  • Wirtschaft
    Die Landwirtschaft ernährt nicht nur 90 % der Einwohner, sondern sorgt auch für 80 % der Exporteinnahmen. Darunter besonders hervorzuheben sind Tee und Kaffee, Tabak und Baumwolle, aber auch Honig und Vanille oder Schnittblumen, außerdem Fisch, insbesondere aus dem Viktoriasee (Viktoria- oder Nilbarsch). Wichtigste weitere Einnahmequelle ist der Tourismus.

Möchten Sie auch gerne helfen?

Ihre Spende kommt an!

Unterstützen Sie die proWIN pro nature Stiftung mit Ihrer eigenen Spende und fördern Sie Tier-, Natur- und Umweltschutz.
Jetzt spenden
Michael Winter, Kurator
Michael Winter, Kurator